Klassisch... Tritonus Baden, 2024

Samstag, 15. 06. 2024, 19.30 Uhr
Congress Center Baden

S. Prokofieff: Symphonie classique in D-Dur op.25

W.A. Mozart: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur KV218

F. Mendelssohn-Bartholdy: Symphonie Nr. 4 in A-Dur op.90 („Italienische“)

Katharina Dobrovich, Violine

Philharmonisches Orchester Györ
Norbert Pfafflmeyer, Dirigent

 

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Was ist das: „Klassisch“?

Vielleicht lässt sich die Frage zunächst an sehr bekannten und typischen österreichischen Beispielen aus der Architektur betrachten: Die „wirklichsten“ gotischen Kathedralen hierzulande sind die Votivkirche in Wien und der Mariendom in Linz – beide sind Ergebnisse eines romantischen ästhetischen Willens der Ringstraßenzeit des 19. Jahrhunderts. Und doch – lässt sich hier zu Recht sagen – die beiden Sakralbauwerke sind allerklarste Gotik – und somit „gotischer“ als etwa der durch die Jahrhunderte von anderen Stilen lebendig durchwachsene Stephansdom.

Somit denn: Mozarts 4. Violinkonzert ist im eigentlichen Sinn noch nicht klassisch – Mendelssohns „IV.“ als Spitzenwerk der deutschen Romantik ist es „nicht mehr“; und Prokof‘evs Erstling?

Nun, der gerade 25jährige Sergej Sergejevič war keck genug, eben diesem den Beinamen „Klassische“ zu geben. Er wollte nämlich – so seine Stellungnahme – eine Symphonie nach der Art Joseph Haydns komponieren, dessen Art des Umganges mit thematischem Material er im Kompositionsunterricht hoch zu schätzen gelernt hatte. Er zog sich in die Einsamkeit zurück, um daran zu arbeiten – und dies in den Jahren 1916 und 17, also in den dramatischen Monaten mitten im 1. Weltkrieg mit dem folgenden Ausbruch der Russischen Revolution. Aber die einmal gehegte Absicht ließ sich hörbar nicht ablenken, denn in der Tat besitzt dieses vielschichtige Werk sehr viel, was eine „Klassische“ symphonische Komposition ausmachen soll: Plastische Thematik im ersten Satz, spätromantische Lyrik im zweiten und einen rechten „Außeschmeißa“ als Finale. Dazwischen sorgt eine Gavotte – nicht wie bei Haydn ein Menuett – für rhythmische Überraschungen. Das Ganze wird mit angemessenen Quäntchen jugendlichen Humors und russischer Innerlichkeit angereichert. Nun, ob dies alles in der Summe eine „klassische Symphonie“ in der ja ganz unnachahmlichen Art Joseph Haydns ergibt, das ist letztlich unerheblich, denn die jugendliche Unbekümmertheit fegt alle diese Fragen hinweg, da sich auf dem zwar unnachahmlichen, aber sichern Boden Haydns gut aufgehoben fühlt – wohlgemerkt in schlimmster Zeit und eigentümlich herausgehoben aus dieser.

Dieser hatte vor dem Jahr 1775, als Mozart sein viertes Violinkonzert schrieb, schon seinen eigenen klassischen Stil in all seiner Vielfältigkeit entwickelt, etwa mit den rätselvollen Symphonien Nr. 45 fis-moll, „Abschieds-Symphonie“ oder jener in H-dur Nr. 46 und zumal in den Streichquartetten. Sein späterer Freund, der noch junge Salzburger, Wolfgang Amadé war noch auf dem Weg. Sein Vater Leopold mahnte ihn des Öfteren, er solle mehr auf der Geige über und sich mit Konzerten eigener Komposition vor dem Fürsterzbischof hören lassen. Mozart tat es als folgsamer Sohn. Was dabei herausgekommen ist – nun, das ist freilich sehr sehr viel mehr. Virtuosenkonzerte sind alle vier nicht geworden, wohl aber geistvolle und intensiv erfühlte Musik für ein Soloinstrument und das mit diesem spielende, keineswegs es nur begleitende Orchester. Diese gleichberechtigte Aufteilung der Aufgaben wird Mozart zumal in seinen Wiener Klavierkonzerten – denn das Klavier war in der Tat sein Soloinstrument und dem Klarinettenkonzert zur Unübertrefflichkeit entwickeln. Und: der zweite Satz des D-dur Konzertes ist in seiner Anmut und Lyrik – nun ja: aus heutiger Sicht „klassisch“.

In Wien spielte Mozart im Übrigen lieber Bratsche – zumal als Quartettpartner Haydns.

Mendelssohn war sich – wohl wie Prokof‘ev in seiner Weise – intensivst bewusst, aus welchen Wurzeln seine eigene Kunst Nahrung bekam. Ihn in dieser Hinsicht rechtens mit J.S. Bach in Verbindung zu bringen, das griffe zu kurz, denn da sind ebenso Händel, sowie Haydn und Mozart; und nicht zuletzt die „klassische“ Seelenbildung, welche er durch die persönliche Bekanntschaft mit J.W. von Goethe und die Auseinandersetzung mit dessen Werk erwerben durfte. Zwei seiner Symphonien haben geographische Beinamen und die damit ausgesprochenen Zuweisungen könnten extremer nicht auseinanderliegen: die „Schottische“ 3. Und die „Italienische“ 4.! Nun ist freilich die eine wie die andere purster und eigenster Mendelssohn, der sich hier als ein großer Neugieriger und als geistig wach Beobachtender erweist. So sind beide Werke vielleicht das „Deutscheste“, was die Symphonik hervorgebracht hat, aber in diesem spiegelt sich das erwünschte, das gesuchte Fremde, ohne es zu vereinnahmen, sondern an hörbarer Freude daran. An seiner „IV.“ ist Mendelssohn besonders viel gelegen gewesen. Im Grunde hat er sie zweimal komponiert, da ihn die Ursprungsfassung nicht befriedigte. Und einen gleichsam wehmütigen Scherz erlaubt er sich nach drei schwelgerischen Sätzen im Finale: Ausgerechnet der abschließende „Saltarello“, der italienische volkstümliche „Hupftanz“ steht in Moll! Eine Warnung vor einem „bösen Ende“, wenn sich unsereins zu sehr der Tanzlust hingibt – oder doch wohl eher: ein „klassischer“ Scherz?

Johannes Leopold Mayer