Konzert Bruckner und Wagner, 2025

Samstag, 05. 04. 2025, 19.30 Uhr
Congress Center Baden

Congress Center Baden

Brünner Philharmoniker

Norbert Pfafflmeyer, Dirigent

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E-Mail: tickets.ccb@casinos.at
Tel: 02252 – 444 96 444
Restkarten an der Abendkasse

Congress Center Baden; Kaiser Franz Ring 1; 2500 Baden

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Bruckner und Wagner: unterschiedlich Klang gewordene Wünsche nach dem Überirdischen

Die österreichische Art des auf Erden-Seins ist seit dem Mittelalter bis weit ins 20. Jahrhundert in ihrem Wesen dreifaltig als ars vivendi, moriendi et credendi, die Kunst zu leben, zu sterben, zu glauben. Es ist eine fromme Art des Seins, welche ihre eigenen Formen – die „pietas austriaca catholica“ – ausbildet.

In der Baukunst äußert sie sich in den barocken Stiften – etwa in Bruckners  St. Florian. Kirche und Kloster wühlen sich gleichsam in den Himmel, die Krypta mit den Begräbnisstätten – darunter Bruckners Sarg unter seiner Orgel – ins  Erdreich. Beide Richtungen führen in ein Aufgehobensein beim Lieben Gott.

Ebenso in der Musik: Der kaiserliche Hofkapellmeister Johann Heinrich Schmelzer (um 1620-1680) lässt in seinen Funeralsonaten zum Ableben eines Mitgliedes der Familie Habsburg rechtens zunächst das „Zügenglöckerl“ und die große Trauerglocke erklingen (im schnellen Pizzicato der Geigen und liegenden Tönen der Bässe), aber nach frommen Melodien klingt dann bald wieder und ebenso rechtens Tanzmusik auf.

Auch im Kosmos des Joseph Haydn kommt diese dreifaltige Kunst vielfach zu Klang – die Symphonie Nr. 100 „Militär“ etwa oder das „Kaiserquartett“ wollen wohl so gehört werden! 

Bruckner gestaltete seinen Beitrag dazu schon exemplarisch im Finale seiner „III.“, wo  als zweiter Themenkomplex zu einer Polka gleichzeitig eine Melodie im Gestus eines geistlichen österreichischen Volksliedes erklingt. Er hat als junger Volksschullehrer mit Kirchenmusikverpflichtung zwei „Totenlieder“ für den Ritus des Abholens des Leichnams aus dessen Haus komponiert – beide übrigens in Dur, wie´s der Brauch war!

Seine VII. ist eine der Symphonien, welche Bruckner in nur einer Fassung hinterlassen hat. Für die neuerliche Beschäftigung mit der dreifaltigen Kunst  des Daseins nimmt Bruckner einen neuen Betrachtungsort ein, der ihn ein Werk schaffen lässt, welches durch äußerste Kompaktheit – etwa dem kürzesten seiner Finali – die Hörenden in den Bann zieht. Auch klanglich gibt es Neues: Im Orchester erstmals Wagnertuben – von Wagner für den „Ring“ vorgesehene Instrumente, welche später auch Richard Strauss und Béla Bartók zu schätzen wussten. Ja – es geht viel vor in dieser Symphonie, welche sich ganz andere, scheinbar engere Grenzen zieht als etwa die „V.“, dann die „VIII.“ – von der „IX.“ gar nicht zu reden. Aber wohlgemerkt: Es ist ein anderer, aber keinesfalls ein besserer oder schlechterer Standpunkt!

Im Gegensatz zu Bruckners Moll-Symphonien  – sind jene in   Dur – die IV. in Es, die V. in B, die VI. in A, jeweils tonartliche Solitäre – so auch die VII. mit ihrem E-Dur, einer Tonart der Transzendenz und in der Symphonik sehr selten – Haydns Nrn. 12 und 29, ein Fragment von Schubert, die einzige Symphonie von Bruckners Lieblingsschüler Hans Rott. Von diesem Tonartencharakter aus lässt Bruckner Gehalt und Form des Werkes sich gestalten – und erreicht tiefste und höchste seelische Weltgegenden. Schon im ersten Satz geschieht zweimal Erstaunlichstes: In den Takten 206-211 spannt sich die aus dem zweiten Thema entwickelte Cellomelodie soweit aus, dass sie den Gestus des in Österreich volksläufigen Muttergottesliedes „Glorwürd’ge Königin“ (wende „Deine barmherzigen Augen uns zu)“ anklingen lässt. Am Beginn der Coda ab Takt 191, erklingt eine Musik, welche ihre melodische Substanz zwar aus dem zweiten Teil des Hauptthemas bezieht, aber in der Harmonisierung und mit dem Orgelpunkt ein Zitat aus Bruckners erster vollgültiger Messe, jener in    d-moll  (1864) ergibt: Aus deren „Credo“, Takt 175–183 auf die Worte „judicare“, dem gläubigen Bekenntnis, dass Jesus wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten. Erst danach kann das Hauptthema – vorerst –  nochmals seinen Glanz entfalten. 

Der zweite Satz enthält in der Coda jene Musik, welche Bruckner nach eigener Angabe im Eindruck von Wagners Tod geschrieben haben soll. Dies äußerte er auch seinem Schüler, dem Philosophen und Psychologen Maria Christian Leopold von Ehrenfels gegenüber, der jedoch erwiderte: „Aber Meister, das haben sie mir doch schon vor Monaten gespielt! Bruckner schien den Widerspruch, in irdischen Daten ausgedrückt, gar nicht zu merken; sein Gefühlsleben bewegte sich auf einer Ebene, die der Zeit entrückt war. Es war eben eine Ahnung, sagte er, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.“

Zweimal wechselt dieser Satz in den ¾-Takt, in welcher eine Melodie – allem enthoben – sich  aussingt und aus einem bescheiden sich verborgen haltenden dreistimmigen Satz zu ungezwungen-freiester Polyphonie aufblüht – eine stille Offenbarung höchsten Könnens.  

Und Bruckner, der „Oberösterreichische Mostschädl“, beherrschte selbstredend  profund die Kunst, auf dumme Fragen noch dümmere Antworten zu geben, welche dann als authentisch geglaubt und weitergegeben werden; so etwa auf jene, wie ihm denn das Thema des Scherzos eingefallen sei, dieses rhythmisch markant nur mit den Tönen E und A spielende Gebilde. Der Komponist, um eine Erwiderung nicht faul, spricht von einem St. Florianer Hahn und dessen Kikeriki. Allerdings geht sich der gloriose Schrei erst ab dem dritten Ton aus. Was wäre demnach mit dem ersten und zweiten? Zudem: Wie sich ein musikalischer Hahn meisterlichst zu Ton meldet, das weiß ein musikalischer Mensch seit Joseph Haydns „Jahreszeiten“. Da geht nichts darüber. Also wozu sich nochmals mit einem solchen Viech einlassen? Einem intimen Kreis hat Bruckner intim-berührendes anvertraut, nämlich: Dass sein verstorbener Freund Ignaz Dorn ihm im Traum das Thema diktiert habe. Und dies vielleicht gar – hinter vorgehaltener Hand – mit einer deftigen Bosheit in Richtung  des Lieblingsfeindes, des Kritikers Eduard Hanslick. Es passt rhythmisch haargenau, was sich der Komponist vielleicht wirklich angesichts des Unverständnisses dieses Herrn so gedacht haben mag – sit venia verbo: Hans-lick  –  leck mich im Arsch.

Für das Finale ist jener Kosename angebracht, den Bruckner auf seine „I.“ angewendet hat: „Keckes Beserl“.  Zu bedenken ist, dass ein „Beserl“ etwas Herziges ist, ein zärtlicher Vater kann sein Töchterlein so nennen. Keck ist die Vorschrift für die Streicher „auf der Spitze“ zu spielen allemal. Dafür darf das zweite Thema in aller Freiheit durch den Garten der Harmonien lustwandeln – geleitet von der väterlichen Hand Bruckners. Und all das führt dazu, dass am Ende nichts verloren geht: Das Geschehen mündet ganz logisch und nun in aller Strahlkraft in die E-dur-Transzendenz des Symphoniebeginnes, das dort ganz leise erklingende Thema nun in der Pracht des ganzen Orchesters den Schlusspunkt setzen lassend.  

Als Dmitrij Schostakowitsch 1937 seine „V.“ schreibt – angeblich sein Bekehrungsstück zu den Idealen des Sozialistischen Realismus –  da variiert er im 1. Satz die zweite Themengruppe derart, dass daraus ein Zitat aus Bruckners „VII.“ wird.  Der  denkerisch völlig anders ausgerichtete  Russe, seit Kindheit mit Bruckner vertraut, lässt hören, mit wem er sich wirklich verbunden fühlt. Sapienti sat. 

Dass Bruckners „VII.“ in derselben  Grundtonart wie die Ouverture zu Richard Wagners „Tannhäuser“ steht – nämlich in E-dur – dies macht hörbar, dass beide ganz wesentlich die  jeweilige Charakteristik einer Tonart zu nutzen wussten. E-dur ist seit der Barockzeit jene der Transzendenz, der Such einer Verbindung mit dem Göttlichen. Die Pilgerweise, welche die Hörner gleich zu Beginn des Vorspieles anstimmen, was ist sie denn anderes als der zu Klang gewordene Wunsch nach diesem Einssein mit dem Göttlichen? Was Wagner diesem schlichten Lied gegenüberstellt, die Musik aus dem Venusberg, das kommt dann in der Tat ganz aus einer Wunschvorstellung und deren anderen Logik heraus: harmonisch flirrend, rhythmisch vibrierend und melodisch alle verführerischen Mittel anwendend, vom chromatischen Lustschrei bis hin zur verführerisch schmeichelnden  Intimität sind die Ingredienzien dieser Musik aus der Bergestiefe. Dergleichen Eindeutigkeiten hat es bis dahin so gut wie nicht gegeben. Kein Wunder, dass die musikalische Welt auch in Österreich höchst unterschiedlich reagiert hat: Franz Grillparzer mit schroffer Ablehnung, Bruckner, der die Oper in Linz gehört hat mit Begeisterung. Dem hochmusikalischen Johann Nestroy war Wagners Werk so bedeutsam, dass er eine köstliche Parodie darauf schrieb – ein Zeichen der Wertschätzung allenthalben, denn einen Schmarrn kann auch ein Satiriker wie Nestroy nicht parodieren. 

Johannes Leopold Mayer